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Was ist Arbeitssucht

Arbeitssucht ist allein auf Grund ihres unglücklichen Namens nicht schlüssig zu erklären: denn das Problem ist nicht wirklich Arbeit, noch ist es eine Sucht im umgangssprachlichen Sinn.

Zum Begriff

Erklärung und Definition

Arbeitssüchtige tun ständig etwas. Es ist ihnen unmöglich, einfach einmal nichts zu tun. Sie sind ununterbrochen aktiv. Diese Aktivität kann (Erwerbs-)Arbeit sein, aber auch ehrenamtliches Engagement, Hobby, Haushalt, Freiwilligenarbeit, Sport oder jede beliebige andere Tätigkeit. Sogar wenn Arbeitssüchtige von aussen betrachtet scheinbar nichts tun, kreisen zumindest ihre Gedanken immer um die Arbeit bzw. Aktivitäten. Sie über-engagieren und über-arbeiten sich weit über ein vertretbares und gesundes Mass hinaus.
Wer ist gefährdet

Mit dieser ständigen Aktivität flüchten sie vor persönlichen Problemen (z.B. negativen Gefühlen, Selbstzweifeln, Schicksalsschlägen, Versagensängsten, Furcht vor innerer Leere, Wut, familiärer Überforderung, traumatische Erlebnisse, Lebenskrisen etc.). So lange sie etwas tun, müssen sie sich nicht mit diesen belastenden Gefühlen auseinandersetzen, sondern können sie verdrängen, abblocken, fern halten, sich ablenken.

Mögliche Ursachen

Ruhige Momente, Nichts-tun, Pausen, Entspannung, Langeweile und Erholung – ein Sein im Hier und Jetzt – werden deshalb als bedrohlich erlebt, weil gerade dann diese negativen Gefühle hervortreten und sich Zeit und Raum für eine Auseinandersetzung, Verarbeitung und Bewältigung bieten könnte.

Gerade diese Pausen sind aber für unsere körperliche und psychische Gesundheit von grösster Bedeutung. Bleiben sie längere Zeit aus, wird man zwangsläufig krank.

Krankheitsverlauf      Genesungsverlauf


Im Verlauf der Krankheit braucht es immer grössere Anstrengungen, die Probleme zu verdrängen, schönzureden und zu vertuschen. Betroffene sind zwischen Leere und Wut hin und her gerissen. Es wird kein Lustgewinn erlebt, sondern aggressive - gegen das eigene Selbst gerichtete - Energie abgeführt. Wer so unter ständiger Anspannung steht, lebt auch in ständiger Angst.

Typische Denk- und Verhaltensweisen

Diese Zusammenhänge und die Krankheit selbst sind dem Betroffenen in den meisten Fällen nicht bewusst.

Es sind Überengagierte, Vielarbeiter, Workaholics, Überarbeitete, Arbeitswütige, Chrampfer, Unermüdliche, Perfektionisten und Unentbehrliche - und hinter ihnen die Arbeitssucht.

 

Die anerkannteste

aller Suchtkrankheiten

Pathologisches Arbeiten ist mittlerweile Volkssport und Massenphänomen in einer sinnentleerten Welt.

Wer viel arbeitet, geniesst in unserer Leistungsgesellschaft hohes Ansehen. Arbeit nimmt einen immer höheren Stellenwert ein und gilt gemeinhin als Lebenszweck und Selbstverwirklichung. Es geht um Aktivität und Kompetenz, um soziale Anerkennung, Kontakt, Kooperation, Zeitstrukturierung und Aufbau persönlicher Identität ...

Hintergründe und Geschichtliches zur Arbeit

Wie kann nun etwas so hoch Angesehenes kritisch hinterfragt und durch negative Aspekte überschattet werden? Gerade diese in der Schweiz anerkannten und hochgehaltenen Tugenden wie Fleiss, Einsatzbereitschaft, Tüchtigkeit etc. erschweren die nötige Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Themas «Arbeit». Wo sich immer noch Arbeitende stolz als Workaholics brüsten ist es schwer, für das Thema zu sensibilisieren. Und es ist eben ein folgenschweres Vorurteil, dass jeder, der viel arbeitet, auch gut arbeite...

Arbeitssüchtiges Verhalten wird nicht nur bezahlt, es wird gelobt, belohnt und gefördert. Geschätzt werden die «unglaubliche» und «unermüdliche» Einsatzfähigkeit, der «überdurchschnittliche» Wille: diese Menschen gelten als Idealbild und als Vorbild für andere.

Was Arbeitssucht begünstigt und was Arbeitsucht vermeidet

Arbeitssüchtige glauben sich durch diese Anerkennung - vermeintlich erfolgreich - auf dem richtigen Weg, definieren ihren Selbstwert und ihre Identität zunehmend über ihre Arbeit und Leistung. Sie organisieren ihr gesamtes Umfeld und Leben um die Arbeit herum. Die eigenen Bedürfnisse werden immer stärker vernachlässigt, ebenso Familie, Beziehung, Freunde und andere Sozialkontakte – was letztlich zu immer grösserer Isolation führt.

Wie unkritisch wir mit Überengagement umgehen, zeigt auch ein Blick in die Seite zum Nachdenken

 

Wo beginnt Arbeitssucht?


Obwohl «Arbeitswut» und «Workaholics» zu den Wörtern des täglichen Sprachgebrauchs gehören, sind Erkennungsmerkmale der Krankheit noch weitgehend unbekannt.

Kurzfristig viel zu arbeiten ist ganz ok - wenn es die momentane Situation gerade erfordert: zum Beispiel bei einem besonders wichtigen Projekt, beim Start in die Selbständigkeit oder indem man in einer Lebenskrise kurzfristige Ablenkung in der Arbeit sucht, z.B bei Liebeskummer. Doch dieses Vielarbeiten ist normalerweise vorübergehend. Das wichtige Projekt ist abgeschlossen, der Geschäftsstart geglückt, die Krise überstanden. Jetzt wird die Leistung wieder auf ein gesundes, ausgewogenes Mass gebracht.

Gelingt dies nicht, besteht eventuell eine Arbeitssucht-Gefährdung. Wenn Vielarbeiten zum «Normalfall» und Dauerzustand wird, kann daraus eine Arbeitssucht entstehen oder sich dahinter bereits eine solche verbergen. Immer mehr Menschen leiden unter Problemen, die mit ihrer Arbeit in Zusammenhang stehen.

Zahlen und Fakten


Gefährlich wird es dann, wenn die Arbeit alles dominiert, wichtiger und spannender als anderes scheint und zum Lebensmittelpunkt wird: Wenn die eigenen Bedürfnisse, die Familie und soziale Kontakte immer mehr zurückgestellt und vernachlässigt werden. Wenn es kaum mehr Freizeit gibt, die Gedanken nur noch um die Arbeit kreisen, entspannen zunehmend unmöglich wird und es keinen gesunden Ausgleich mehr zur Arbeit gibt.

Erkennungsmerkmale

Entscheidend ist «wie», nicht «wie viel»

Arbeitssucht ist ein zwanghafter Umgang mit der Arbeit/Aktivität. Es geht nicht darum wie viel, sondern auf welche Art und Weise gearbeitet/getan wird. Welche Einstellung man zur Arbeit hat, welche Bedeutung sie einnimmt und vor allem, ob man die Kontrolle über das eigene Arbeitsverhalten hat.

Charakteristisch ist, dass man gar nicht aufhören will mit diesem Arbeitsverhalten und es auch nicht kann, wenn man es möchte. Die daraus entstehenden Schuldgefühle versuchen Arbeitssüchtige mit noch mehr Arbeit und Leistung zu kompensieren und geraten dabei in einen Teufelskreis: sie glauben unbewusst, dass ihnen, je mehr sie leisten, umso mehr Liebe und Anerkennung zuteil würden. Dabei wird ihnen immer bewusster, wie gross der Unterschied zwischen den Unmengen von Arbeit/Plänen und der immer kleiner werdenden persönlichen Energie wird – zwischen aufhören-wollen und nicht-aufhören-können. Der schon sehr hohe Druck wird immer grösser ...


Alles im Griff! / Keine Probleme!

Nach aussen hin aber halten Arbeitssüchtige das Bild des aktiven, optimistischen Kämpfers, der alles im Griff hat und keine Probleme kennt, aufrecht. Sie leugnen oder bagatellisieren Probleme, vermeiden Gespräche, in denen es um Überengagement geht. Gerade diese Unehrlichkeit macht es letztlich noch schwieriger für sie, Probleme selbst einzugestehen, anzusprechen und um Hilfe zu suchen.

Einsicht meist erst nach dem Crash

Leider führt meist erst ein schwerwiegender Zusammenbruch – oft sogar erst eine teilweise oder vollständige Arbeitsunfähigkeit – zur nötigen Einsicht. Davor haben Betroffene oft schon jahrelang an ihrer Sucht gelitten.

Krankheitsverlauf

Typisch ist leider auch, dass die meisten Arbeitssüchtigen sich vehement weigern, sich krankschreiben zu lassen oder noch im Krankenbett wieder zu arbeiten beginnen.

Gab es zu Beginn der Entdeckung von Arbeitssucht noch kontroverse Diskussionen, zweifelt heute niemand mehr an der Schwere dieser gefährlichen Krankheit.

 

Weitere Informationen


… für Betroffene

… für Angehörige

… fürs Arbeitsumfeld
   Arbeitgeber, Vorgesetzte, Mitarbeiter etc.

 

 

Es gibt eine Grenze zwischen gesundem Tatendrang, Strebsamkeit oder Schaffenskraft und pathologischem Arbeitseifer und Tätigkeitszwang.

 

 

Exzessives Arbeiten ist kein Merkmal

Arbeitssucht ist nicht nur das Zuvielarbeiten. Auch hinter dem Gegenteil, der Arbeitsvermeidung oder dem Aufschieben von Arbeit, kann Arbeitssucht stehen. Im Zentrum steht auch hier die Fixierung auf die Arbeit

 

 

Menschen, die nicht faulenzen können, haben Angst vor den eigenen Gedanken - eine Flucht vor dem Ich. Längst ist diese Angst zu einer kollektiven Pathologie geworden: Jede mögliche Lücke wird sogleich von der Freizeitindustrie, dem Massentourismus oder der Rund-um-die-Uhr-Animation gefüllt.

Wilhelm Stekel
Psychoanalytiker

1868-1940

 

 

 

Hinter der Arbeitssucht steht die Sehnsucht nach Anerkennung.

 

 

 

 

Wer sich der Realität der Arbeitssucht stellt,

muss mit dem Zorn der Gesellschaft rechnen.

Diane Fassel

 

 

Der Begriff

«Arbeitssucht» löst oft Abwehrreaktionen aus:

Wer an einer Krankheit leidet, wird bedauert - denn er kann ja nichts dafür. Wer an einer Sucht leidet, wird verurteilt - die sei selbstverschuldet.

Besonders brisant ist dies im Zusammenhang mit Arbeit: Einen Burn-out hat man sich verdient - man hat ja schliesslich viel geleistet.

Aber niemand will arbeitssuchtkrank sein.

Während wir arbeitssüchtigem Verhalten täglich Beifall klatschen, wollen wir uns als Gesellschaft dem Problem Arbeitssucht konkret und offenkundig nicht stellen.

 

 

 

 

 

 

Ohne uns über die Welt und über unser Leben ins klare kommen zu lassen, jagt uns der Geist unserer Zeit ins Wirken hinaus.
Unablässig nimmt er uns für diese und jene Ziele und für diese und jene Errungenschaften in Dienst.
Er erhält uns im Tätig-keitstaumel, damit wir ja nicht zur Selbstbesinnung kommen und uns fragen, was dieses rastlose Hingeben an Ziele und Errungenschaften eigentlich mit dem

Sinn der Welt

und dem Sinn unseres Lebens zu tun habe.

Albert Schweitzer

 

 

 

Arbeitssucht ist oft
auch das Problem von:

– Adrenalinsüchtigen
– Messies
– Aufschiebern
– Perfektionisten
– Putzwütigen
– Musterschülern/
   -gatten

 

 

 

 

«Ich dachte,

je mehr ich arbeite, desto liebenswerter

bin ich»

 

 

 

 

 

 

 

 

Obwohl die wissenschaftliche Forschung zu Burn-out umfangreich, international und hoch spezialisiert ist, trägt sie zum

praktischen Problem der Linderung von Burn-out

kaum etwas bei.

                     Ina Röging

 

 

Arbeitssucht hat viele Gesichter. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!