Information | Was ist Arbeitssucht / zum Begriff

Zum Begriff

Der unwissenschaftliche Begriff «Arbeitssucht» wird - zu Recht - immer wieder kritisiert. Dabei spielen auch der Einfluss der Medien, kulturelle Trends und historische Hintergründe eine Rolle.

Leider gibt es auch unter Fachleuten noch keine allgemeingültige Definition für Arbeitssucht.

Obwohl exzessive Vielarbeit seit Ende der siebziger Jahre zu den Suchterkrankungen zählt, fand die Diagnose «Arbeitssucht»/«Workaholismus» bisher keinen offiziellen Eingang in die Krankheitsmanuale oder Leistungskataloge der Krankenkassen. Im alltagssprachlichen Bereich jedoch hat sich der Begriff «Arbeitssucht» eingebürgert. Aus wissenschaftlicher Sicht ist er jedoch nach wie vor umstritten. Begriffliche Unklarheiten, methodische Probleme und fehlender intra- und interdisziplinärer Konsens verhinderten bisher das wissenschaftliche Aufgreifen des Themas (Poppelreuter).

In den siebziger Jahren prägten Wayne Oates in Amerika und unabhängig davon im deutschsprachigen Raum Dr. Gerhard Mentzel den unglücklichen Begriff «Work-aholic», indem von Parallelen zu Alkoholikern ausgegangen wurde und leichtfertig das Wort «Alkohol» einfach durch das Wort «Arbeit» ersetzt wurden.

Inzwischen lässt sich sagen, dass Verhaltenssüchte nur zum Teil Vergleiche und Parallelisierungen mit Substanz-Abhängigkeitssüchten zulassen. So ist beispielsweise der Kontrollverlust (nicht mit arbeiten aufhören zu können) problematisch, doch gibt es keine vergleichbaren Parallelen zu «ständiger Dosissteigerungen» und/oder zu «Entzugssymptomen» (man ist ständig mit etwas beschäftigt und sei es in Gedanken) etc. Man kann bei Arbeitssucht auch nicht wie bei anderen Süchten von der Intensität des Missbrauchs auf den Grad der Sucht schliessen. Die Wirkung auf den Organismus ist verschieden, doch sind die langfristigen Folgeerscheinungen absolut vergleichbar: schwere körperliche, seelische und soziale Probleme.


Aufgrund dieser Schwierigkeiten haben wir uns für den Organisationsnamen «Crazy Workers» entschieden und hoffen, damit alle unterschiedlichen Betroffenen besser ansprechen zu können.

In unseren Texten verwenden wir – mangels sinnvoller Alternativen, weil sich der Begriff bereits eingebürgert hat und insbesondere der leichteren Verständlichkeit wegen – bis auf weiteres – das Wort «Arbeitssucht».

 

Hintergründe und Geschichtliches zu «Arbeit»

Hintergründe zu «Sucht»

 

 

Begriffgeschichte


1852: Gustav Flaubert beschreibt seine «frenetische, pervertierte Liebe zur Arbeit»


1883 kritisiert Paul Lafargue die Arbeitssucht der Arbeiterklasse


1919 beschäftigt sich der Psychoanalytiker Sandor Ferenczi mit den «Sonntagsneurosen» einiger seiner Klienten


1960er Jahre
«Manager-Krankheit»


1969 entsteht der Begriff «Burn out» für Erschöpfungsdepression


1971 prägt der Religionspsychologe Wayne Oates in Amerika das Wort «Workaholic»


1976 schreibt die amerikanische Psychologin Marilyn Machlowitz die erste Arbeit über Arbeitssucht


1979 veröffentlicht Psychiater Gerhard Mentzel den ersten Fachartikel über Workaholism


1990 bestätigt das japanische Arbeitsministerium, dass Arbeitssucht zum Tod durch Überarbeitung (Karoshi) führen kann.


Selbstaufgabe durch unablässiges Tun

Holger Heide

Eine oft verzweifelte Reaktion auf unbewältige Ängste

Stefan Poppelreuter


Weitere, ergänzende Begriffe:

– exzessive Vielarbeit
– zwanghaftes Arbeiten

– pathologisches Arbeiten

– Beschäftigungssucht
– Tätigkeitssucht

– Flucht in die Leistung
– Selbstausbeutung
– Chronische Überarbeitung

– Partielle Zerstörung der

   Identität und deren

   Ersetzung durch eine

   Identifikation mit dem

   Unternehmen


Andere Begriffe mit Verwandtschaftsgrad:

– Hurry sickness

   (Gehetzten-Krankheit,

   unfähig zu entspannen)
– burn out
– wear out

– Helfersyndrom
– Anerkennungssucht

 

Arbeitssucht – missverständlicher Begriff für eine ernste Krankheit Information ist nötig.