Information | fürs Arbeitsumfeld

Informationen für Arbeitgeber, Vorgesetzte, Mitarbeiter etc.

Arbeiten Sie mit jemandem zusammen, der arbeitssüchtig ist? Oder befürchten Sie als Vorgesetzter oder Arbeitgeber, dass ein Mitarbeiter arbeitssüchtig ist? Haben Sie den Mut, den Betroffenen konkret anzusprechen: Arbeitssucht ist eine schwerwiegende, lebensbedrohende Krankheit.

Zunächst ist es wichtig, arbeitssuchtgefährdete Mitarbeiter zu erkennen. Die Grenzen zwischen positivem Engagement, überdurchschnittlichem Einsatz und arbeitsüchtigem Verhalten sind fliessend. Wer ist aktiv, tüchtig, wirklich zufrieden und ausgeglichen, und wer schadet seiner Gesundheit? Bei genauerer Betrachtung erkennt man Arbeitssüchtige daran, dass ihr Leben auffällig einseitig auf die Arbeit ausgerichtet ist.

Typische Denk- und Verhaltensweisen


Oft sind Arbeitssüchtige sehr wichtige, langjährige Mitarbeiter in einem Unternehmen. Sie haben meist wichtige Projekte entscheidend geprägt, Kontakte zu den bedeutendsten Kunden, wichtiges Know-how und sich geradezu «unentbehrlich» gemacht. Oft macht es gerade ihre spezielle Stellung und/oder ihr schwieriges Verhalten noch schwerer, sie auf Probleme anzusprechen.


Dennoch ist es sehr wichtig, das arbeitssüchtige Verhalten zu thematisieren. Dabei ist man aber kein Therapeut: Stellen Sie weder eine «Diagnose», noch führen Sie eine «Behandlung» durch.

Versuchen Sie z.B. Gesprächsthemen vermehrt auf die Freizeit, Gesundheit, Erholung und Wohlbefinden zu lenken. Erzählen Sie von Ihren Freizeitaktivitäten und regen Sie zu solchen an. Motivieren Sie dazu, genügend echte Pausen zu machen, rechtzeitig in den Feierabend zu gehen, Ferien und allfällige Überstunden zu beziehen etc.

Wichtige Rolle des Arbeitsumfelds

Bei der Genesung von Arbeitssucht kommt dem Arbeitsumfeld eine sehr wichtige Rolle zu. Denn Arbeitgeber, Vorgesetzte und Mitarbeitende haben das Ausleben von Arbeitssucht in der einen oder anderen Form ermöglicht und unterstützt, z.B. indem Sie sich dem arbeitssüchtigen Verhalten angepasst haben, es belohnt haben, über unangemessenes Verhalten hinweggesehen haben etc.

 

Für Mitarbeiter

Für Betroffene ist es unter Umständen einfacher, von einem Mitarbeiter auf das Verhalten angesprochen zu werden, als vom Vorgesetzten. Sprechen Sie den Betroffenen konkret an und machen Sie klare Verhaltensaussagen (z.B. «Du kommst als erster und gehst als letzter», «du machst so viele Überstunden» etc.) dazu einige Tipps:

Das Problem anzusprechen ist schwierig, aber sehr wichtig. Sollten Sie nichts erreichen können, kann das Gespräch mit dem Vorgesetzten sinnvoll sein.

 

Unsere Tipps für
Vorgesetzte und Mitarbeiter:

» Informieren Sie sich über Arbeitssucht.
» Passen Sie sich dem arbeitssüchtigen Verhalten nicht (mehr) an.
»

Was ist für Sie wichtig im menschlichen Bereich? Was möchten Sie? Welches sind Ihre Bedürfnisse? Wie kann es für Sie und die anderen Mitarbeiter stimmen?

» Lassen Sie sich Ihre Sorgen nicht «ausreden» und bagatellisieren.
» Behalten Sie Distanz.
» Widersprechen Sie Schutzbehauptungen
z.B. «ich arbeite ja für diese Firma so hart», «nur noch dieses Projekt, dann wird es besser », «es klappt ja nur, wenn ich alles selber mache», «ohne mich läuft nichts» etc. und stimmen Sie nicht in dieses Lied ein.
» Lassen Sie sich dabei helfen, z.B. durch eine Beratung.
» Machen Sie Vorschläge für die Freizeit, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, erholsam und entspannend sind, Spass machen und die Lebensfreude wecken.
»

Fördern Sie Möglichkeiten zur zwischenmenschlichen Begegnung. z.B. unkonventionelle Meetings, Ausflüge, Feiern, an denen auch Partner und Familie der Mitarbeiter willkommen sind.

» Greifen Sie ein, wenn Betroffene anderen Mitarbeitern gegenüber unbeherrscht, unfair oder aggressiv sind (ihnen z.B. mangelnde Leistngsbereitschaft vorwerfen etc.).

 

Für Vorgesetzte

Wichtig ist, dass Sie sich als Chef selbst über die Problematik im Klaren sind und sinnvoll darauf reagieren können. Seien Sie dabei auch selbstkritisch: wo haben Sie selbst arbeitssüchtige Tendenzen oder solche gefördert? Wie kann die Situation am Arbeitsplatz baldmöglichst verbessert werden, auch im Sinne der Suchtprävention für die anderen Mitarbeiter?

Führung hat Verantwortung

Die Verantwortung liegt immer beim Chef. Auffälligkeiten müssen rechtzeitig erkannt und professionell angegangen werden. Wegschauen nützt nichts, im Gegenteil. Unterziehen Sie Ihr Arbeitsplatzsystem einem kritischen Blick: Was begünstigt Arbeitssucht und mit welchen Massnahmen können Sie dem entgegenwirken?

Sind Arbeitsbelastung und Zeitdruck ethisch und gesundheitlich verantwortbar?

Was Arbeitssucht begünstigt und wie man sie vermeidet


Kommunizieren Sie deutlich, offen und klar, was gesundes Arbeitsverhalten ist. Dazu einige Beispiele:

Leistung braucht Erholung

Fordern Sie Mitarbeiter auf, statt vieler (unproduktiver) Überstunden lieber in den Feierabend zu gehen und am nächsten Tag erholt und mit frischen Kräften weiterzuarbeiten (Demonstration Leistungskurve).

Keine Arbeit in die Freizeit nehmen

Machen Sie klar, dass Arbeit nicht nach Hause, ins Wochenende oder in die Ferien mitgenommen werden soll.

Lebensbalance thematisieren

Thematisieren Sie die Wichtigkeit der Lebensbalance (besonders sinnvoll durch eine (interne) Schulung, Weiterbildung etc.) und integrieren Sie diese in Mitarbeitergespräche/Leistungsbeurteilungen

Suchtinformation/Weiterbildung Führungskräfte

Stellen Sie sicher, dass Ihre Führungskräfte im Bereich Suchtprävention ausgebildet sind. So können sie ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern wahrnehmen, problematisches Verhalten frühzeitig erkennen und den Mitarbeitern auf geeignete Art rechtzeitig helfen. Damit sparen sie auch als Unternehmen hohe Kosten durch Absenzen, Fehler, Kündigungen, Unfälle etc.

Pausen einhalten

Achten Sie auf die Einhaltung von Pausen.
Richten Sie Pausen und dafür geeignete Räume ein. Betonen Sie die Wichtigkeit von echten Pausen, gesunder Ernährung, Bewegung etc. und bieten sie entsprechende Angebote an oder weisen Sie auf solche hin.

Gutes Arbeitsklima

Sorgen Sie für eine gute Stimmung und angstfreie Atmosphäre, wo auch oft gelacht wird.

Gesunde Arbeitsleistung

Schaffen Sie lebensbejahende Arbeitsplätze und vermeiden Sie, dass «einer für zwei» arbeiten muss und damit die Produktivität sinkt und die Fehlerquote steigt. Achten Sie bei Projektplanungen auf die Ressoucen. Schaffen Sie ein Klima, indem man bei Überlastung auch «Nein» sagen kann und darf.

Teamwork statt Einzelkämpfertum

Erklären Sie, dass kreatives Teamwork mehr geschätzt wird als isolierte Alleingänge. Stellen Sie Teamfähigkeit höher als Leistungen.

Anreizsysteme hinterfragen

Überdenken Sie die üblichen Anreizsysteme (Lob, Bonus etc.).

Unterstützen Sie Auszeiten

Unterstützen Sie MitarbeiterInnen dabei, unbezahlten Urlaub, eine Auszeit oder ein Sabbatical zu nehmen. Von diesen neuen Erfahrungen profitieren Sie als Arbeitgeber und Ihre Mitarbeiter, die neue Perspektiven und Energie einbringen können.

Überstunden nicht auszahlen, echte Ferien

Zahlen Sie Überstunden und Ferien nicht aus, sondern bestehen Sie auf einer Kompensation mit Freizeit. Motivieren Sie dazu, Ferien von zusammenhängend mindestens zwei, noch besser drei Wochen zu nehmen.

Anregungen für die Freizeit

Regen Sie zu erholsamer Freizeitgestaltung an und machen Sie Vorschläge für entspannende Aktvitäten, die einfach nur Spass machen und Lebensfreude wecken – auch wenn diese nichts mit der Arbeit zu tun haben, wird sie die dabei gewonnene Kreativität positiv auf die Arbeit und das Klima auswirken!

Anweisungen kritisch hinterfragen

Unterziehen Sie Leitbild, Kodex, Anweisungen etc. einem kritischen Blick: Welche Haltungen/Erwartungen bedürfen evtl. einer realistischen, verbessernden Überarbeitung?

Vorbildfunktion

Gehen Sie als gutes «Beispiel» voran: Taten sprechen immer lauter als Worte!


Tipps für Gespräche

von Vorgesetzen mit Betroffenen:

   
»

Zeit, Raum und Ruhe
Bereiten Sie das Gespräch gut vor. Nehmen Sie sich dafür genug Zeit. Wählen Sie einen ruhigen Raum, in dem Sie nicht gestört werden.

   
»

Wertschätzung

Anerkennen Sie den Mitarbeiter als Mensch und zeigen Sie Ihre aufrichtige Wertschätzung.

Nehmen Sie darauf Rücksicht, das Betroffene unter ungeheurem Druck und grossen Ängsten stehen – vielleicht sogar suizidgefährdet sind.

   
»

Sprechen Sie das Problem an:

 

Sprechen Sie das Problem ohne Umschweife offen und konkret an.

 

Sprechen Sie partnerschaftlich miteinander, auf derselben Augenhöhe.
Gehen Sie ernsthaft und mitfühlend auf den Betroffenen zu, aber nicht psychologisierend.

 


Äussern Sie Ihre Beobachtungen und damit verbundenen Sorgen in der Ich-Form. Machen Sie klare Aussagen.
 

Vermeiden Sie dabei Vorwürfe
(die machen sich Betroffene selbst genug).
 

Halten Sie sich mit Ratschlägen zurück.
(Ratschläge fruchten erst nach Einsicht in die Notwendigkeit einer Veränderung).
 

Seien Sie ehrlich.

Übergehen, leugnen oder verniedlichen Sie die Gefühle nicht. Nicht in falsche Fröhlichkeit oder falschen Optimismus verfallen, sondern offen sein.

   
»

Nachfragen

Fragen Sie nach, wie der Betroffene es sieht.

Geben Sie ihm die Möglichkeit, Stellung zu nehmen, nachzufragen. Fragen Sie, ob sich der Betroffene als verändert erlebt. Ermutigen Sie, über Werte zu sprechen, über Veränderungen in Einstellung, Verhalten, Gefühlen etc.

   
»

Unterstützung anbieten
Bieten Sie Hilfe und Unterstützung an, behalten Sie dabei die nötige Distanz.
Geben Sie evtl. auch Adressen an, wo weitere Unterstützung zu finden ist (Selbsthilfegruppe, Arzt, Erholungskur etc.)

   
»

Treffen Sie Vereinbarungen und setzen Sie Fristen
Treffen Sie gemeinsam (überprüfbare) Vereinbarungen oder Regeln. Formulieren Sie Ihre Erwartungen leicht verständlich und klar.

Nicht zuviel aufs Mal:Fangen Sie lieber klein an und gehen langsam Schritt für Schritt vorwärts.

Setzen Sie Fristen, bis wann die Vereinbarungen umgesetzt werden sollen.

   
»

Mut machen
Unterstützen Sie mit ehrlicher, positiver Haltung: gemeinsam wird man es schaffen!

   
»

Weitere Gespräche
Besprechen Sie sich erneut. Wie wurden die getroffenen Vereinbarungen eingehalten? Wie geht es dem Betroffenen und wie fühlt er sich mit den Vereinbarungen?

   
»

Ausbleibender oder nachlassender Erfolg?
Sind die Bemühungen erfolglos oder nehmen zunehmend ab, sprechen Sie sich wieder aus. Falls nötig, müssen Konsequenzen diskutiert werden.

   

 

Rückführung

In den meisten Fällen führt leider erst ein schwerwiegender Zusammenbruch den Betroffenen zur Einsicht. Es kann sein, dass er schon kurze Zeit darauf wieder arbeiten kann, evtl. ist aber auch längerer Time-out oder gar ein Kur-Aufenthalt nötig.

Die beste Unterstützung ist in diesem Fall das Angebot, an den Arbeitsplatz zurückkehren zu können, und den Betroffenen bei dieser Rückführung aktiv zu unterstützen. Sinnvoll sind dabei
– eine transparente Information am Arbeitsplatz
– ein Vorgespräch (evtl. auch mit dem behandelten
   Therapeuten)
– Begleitung bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz
– Unterstützung beim Genesungsplan

Mehr Infos über die Genesung

 

 

 

 

INFO

 

EMPFEHLUNG
für Unternehmen

Interaktives Theaterstück

«Hetzinfarkt»

vom Forumtheater

Das Publikum diskutiert mit und greift aktiv ins Bühnengeschehen ein, kann die Szenen verändern und so die Konsequenzen des eigenen Handelns unmittelbar erleben.

Forumtheater setzt einen Sensibilisierungsprozess in Gang, öffnet den Blick für Handlungsalternativen und zeigt Lösungswege aus Konflikten und scheinbar verfahrenen Situationen auf, stärkt das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten

   und Fähigkeiten.

Ideal zur Thematisierung und Bearbeitung von Themen wie Stress, Arbeitssucht, Druck, Mobbing etc.

 

 

Entspannte MitarbeiterInnen
arbeiten

am besten!

 

 

  Keine Innovation

ohne Kreativität!

Kreativität setzt Stille

und Gefühle voraus.

Nie werden mehr

kreative Ideen produziert als in der Stille!
Martin Bachmann

 

 

 

Arbeitssüchtige können unter einem immensen Druck, hoher Anspannung und grossen Ängsten stehen – auch wenn sie sich dies nicht anmerken lassen, Probleme abstreiten und bagatellisieren, Ausflüchte suchen etc.


Noch dreht sich das ganze Leben des Betroffenen fast nur um die Arbeit – hier fühlt er sich noch sicher. Kritisiert man nun diesen für ihn zentralsten Bereich, entsteht existenzielle Angst, vielleicht sogar eine Identiätskrise: der ganze Boden würde unter den Füssen weggezogen.

Gehen Sie deshalb mit dem Betroffenen behutsam vor – er kann vielleicht sogar suizidgefährdet sein.

 

 

 

 

    Arbeit dehnt sich genau in dem Mass aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.
Cyril Northcote Parkinson

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nur Chefs,

die gut für sich

selbst sorgen,

sorgen auch gut

für andere.

 

 

 

ARTIKELTIPP:

Unsinn Überstunde

Artikel in der Sueddeutsche.de

von Nicola Holzapfel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Arbeitssucht hat nur Nachteile, für alle. Wir sind gerne für Sie da.