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Hintergrund und Geschichte
zu «Arbeit»
Das Wort «Arbeit» kommt vom lateinischen arvum, arva und bedeutet «gepflügter Acker». Das englische labour und das italienische lavorare gehen auf laborare (=leiden) zurück, das französische travailler auf tribuler (=foltern, plagen), das spanische trabajo auf tripolium (=Folterinstrument) oder das russische rabota auf rab (=Sklave) zurück.
Für die alten Griechen und Römer war die Arbeit nur ein Fluch. Sie war überlebensnotwendiges Übel, ihr wurde keinerlei Selbstzweck zuerkannt. Sie galt als für einen freien Menschen unwürdig.
Ebenso lehnten die frühen Christen einen inneren Wert der Arbeit ab, was sich später zu einer Haltung des gemeinnützigen «Dienst am Nächsten» wandelte. Unabdingbar gehörte dazu aber auch der Sabbat, die Arbeitsruhe.
Im Mittelalter arbeitete man, um zu leben, wenn es eine Notwendigkeit (z.B. die Ernte) erforderte – aus natürlichen Gegebenheiten und eigenen Bedürfnissen. Dabei wurde Arbeit täglich durch mehrere ausgedehnte Mahlzeiten und Pausen unterbrochen. Zudem kannte man gegen 100 Feiertage, dazu noch 52 Sonntage, an denen Arbeiten untersagt war. So bestand ein Wechsel zwischen hoher Arbeitsintensität und Musse.
Im Spätmittelalter im Zuge der Ausweitung der Geldwirtschaft, des Handels und der protestantischen Reformation wurde die heutige Auffassung von Arbeit geschaffen: materieller Reichtum als Gottes Segen – Arbeit gilt als Gottesdienst. Die Lebenszeit ist kurz, Leistung, Disziplin und Pflichterfüllung werden hoch gehalten. Zeitvergeudung ist die schwerste aller Sünden und gefährdet die Erlösung. Eine als genussvoll erlebte arbeitsfreie Zeit ist unter diesen Voraussetzungen undenkbar.
Gewalttätig zur Arbeit gezwungen
Mit der industriellen Revolution wurden die Menschen Ende des 18. Jahrhunderts gewaltsam zur Arbeit gezwungen. Durch offenen Terror, pädagogische Strafen, Arbeitsschulen, Industrieschulen, Zuchthäuser und die Psychiatrie.
Um zu überleben, passte man sich an und ordnete sich unter. Die Folge war eine disziplinierte Gesellschaft: aus Fremdzwang war Selbstzwang geworden. Zurückgeblieben ist bis heute die Angst. Die Angst vor der Schwäche, vor dem eigenen Fühlen, Denken und Handeln, die als Grund für die Niederlage erlebt wurden. Diese Trennung vom Selbst bildet die Grundlage der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft.
Anpassung aus Angst
Diese Angst wirkt noch immer in uns - wenn auch unbewusst - und ist schwer zu durchbrechen. Schon als kleine Kinder lernen wir, Rollen zu spielen. Wir hören auf, uns an unseren Bedürfnissen zu orientieren und lernen, uns nach den Erwartungen anderer zu richten. Durch ständige Wiederholung und Angst, aus der «Rolle zu fallen» erkennen wir mit der Zeit unsere Bedürfnisse nicht mehr, wenn es darum geht, Leistungen/Arbeit zu erbringen. Lebendigkeit und unkontrollierte Gefühle werden als zunehmend bedrohlich und angstvoll erlebt. So entsteht Angst vor der Angst. Sie prägt uns und manchmal spüren wir sie in begründeten oder unbegründeten Ängsten: Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, Angst vor Versagen! Immer: Angst vor …! Wir lernen, Angst zu verdrängen mit dem Resultat von Gehorsam, Konkurrenz oder Gewalt. Es ist eine destruktive Angst, die uns daran hindert, zu leben.
Die Angst bindet immer grössere Lebensenergien für Verdrängung und Kontrolle.
Sucht als Reaktion
Sucht kann eine Reaktion auf diese als unerträglich empfundenen Gefühle sein. Man manipuliert damit das Fühlen, Denken und Handeln und erzeugt eine Illusion von Geborgenheit in einer Welt der Unwirtlichkeit. Doch die damit verbundene Selbststörung erzeugt wiederum Angst, die zusätzlich verdrängt werden muss … Andauernde Unterwerfung und Anpassung werden durch höhere Löhne, verbesserte Arbeitsbedingungen etc. belohnt, der Verlust der Freiheit vom Arbeitnehmer mit Konsum kompensiert.
Wer für seinen Arbeitsplatz (neue «Autonomie» in der Arbeit!) selbst verantwortlich ist, arbeitet sogar mehr, nicht weniger. Die Identifikation mit der Arbeitsgesellschaft, das Denken und Fühlen als Mitglied der Arbeitsgesellschaft, lässt uns «freiwillig Arbeitssüchtige» sein.
Hier stellt sich wiederum die Frage nach dem Umgang mit der Angst. Ein erster Schritt wäre, sich die Angst bewusst zu machen, sie zu anerkennen und damit das Tabu zu durchbrechen. Gelänge dies der Gesellschaft in einem kollektiven Prozess, könnte Solidarität die Folge sein. Angst liesse sich verringern und damit liessen sich auch Isolation, Fragmentierung und Konkurrenz aufheben.
Arbeitslosigkeit – Kehrseite der Überarbeitung
Die Zahl der offenen und verdeckt geleisteten Arbeitsstunden lässt keinen Zweifel daran, dass Arbeitslosigkeit die Kehrseite der Überarbeitung ist. Kritisches Hinterfragen, wie Arbeit heute stattfindet und mit welchen Folgen ist unerwünscht und wer es dennoch tut, gilt als weltfremd.
Neuorientierung nötig
Ursprünglich wurde gearbeitet, um Arbeit zu sparen: Ein Werkzeug wird erarbeitet, um die anstehende Arbeit so knapp wie möglich zu halten.
Doch heute wird Arbeit immer mehr zum Selbstzweck, anstatt zum Mittel. Es hat nicht mehr zu interessieren, was, wie und warum gearbeitet wird und es geht immer weniger um einen echten Mangel oder Misstand. Immer mehr Unwichtiges, Unsinniges, Überflüssiges wird hergestellt: Hauptsache, man hat Arbeit.
(Quelle: Stadtrevue, Autor Holger Heide)
In einer sinnentleerten Gesellschaft propagieren wir Arbeit als Lösung aller Probleme: Sei es als Verarbeitung von Problemen, Arbeitserziehung als «Lösung» für delinquente Jugendliche oder als Anforderung an Rentner/innen fitt, aktiv und leistungsfähig sein zu müssen.
Hintergründe zu «Sucht»
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zu Arbeit
Sechs Tage sollst du arbeiten, aber am siebten Tage sollst du ruhn von aller deiner Arbeit
Bibel
Wer nicht arbeiten will,
soll auch nicht essen
hl. Paulus
Ora et labora
(bete und arbeite)
Ordensgrundsatz
der Benediktiner
Arbeit ist etwas Gutes,
etwas Göttliches.
Zwingli
Tor-Überschrift KZ Auschwitz
Wir leben in einem Zeitalter der Überarbeitung und der Unterbildung, in einem Zeitalter, in dem die Menschen so fleissig sind, dass sie verdummen.
Oscar Wilde
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