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Krankheitsverlauf
Natürlich ist auch der Krankheitsverlauf so individuell wie die Betroffenen. Er kann hier nur einen ungefähren Überblick geben:
Frühes Stadium
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Gedanken an die Arbeit dominieren |
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Zunehmendes Gefühl von Verantwortungsdruck: Alles hänge nur von der eigenen Person ab |
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Stress und Sorgen sind tägliche Begleiter |
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Die eigenen Fähigkeiten, die eigene Belastbarkeit werden überschätzt |
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Es wird mehr Arbeit und Verantwortung übernommen, als getragen werden kann
-> Es fällt schwer, Nein zu sagen |
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Überanpassung:
Vieles wird hingenommen, weil man nicht anecken, nicht «kompliziert» sein will, sich nicht wehren kann – die Akzeptanz/Zuneigung anderer nicht verlieren will |
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Es gibt keine freien Tage mehr, die Wochenstunden werden immer öfter überschritten |
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Es wird immer schwieriger, Umfang und Dauer des Arbeitsverhaltens zu bestimmen |
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Soziale Kontakte werden als störend erlebt und vermieden, weil sie von der Arbeit abhalten - Beziehungen werden zunehmend oberflächlicher |
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Fast zwanghaft werden Listen aufgestellt/geführt um die Übersicht behalten zu können |
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Evtl. «heimliches» Arbeiten (z.B. arbeitsbedingtes Lesen wird als Freizeit ausgegeben) |
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Familie, Beziehung und Freunde werden vernachlässigt und das soziale Leben reduziert sich |
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Körperliche und psychische Beschwerden machen sich bemerkbar
Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Angstzustände, Rückenschmerzen, Migräne, Magen-/Darmbeschwerden etc. |
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Entwicklung einer Privat-«Ideologie», welches das Verhalten rechtfertigt und gegen Kritik immunisiert. |
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Weitere (sekundäre) Süchte können sich verstärken um «abschalten» zu können
z.B. Griff zu Medikamenten, Alkohol, Rauchen, harte Drogen etc. Aber auch «sanfte Süchte» sind nicht zu unterschätzen wie langes Fernsehen, übermässiges Essen, Einkaufstouren…
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Mittleres Stadium
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Es wird noch stärker gearbeitet bis zur totalen Erschöpfung – oft auch nachts, am Wochenende, an Feiertagen, im Urlaub, während Krankheiten etc. |
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Wie in einem «losgelösten Zustand» wird gearbeitet, man vergisst alles um sich herum |
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Häufiger Griff zu Medikamenten
Aufputschmittel, Einschlafmittel, Kopfschmerztabletten, Beruhigungsmittel etc. |
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Es wird zunehmend unmöglich, sich zu erholen, zu entspannen, einmal Nichtszutun, präsent zu sein: Ruhige Momente und Nichts-Tun werden als beängstigend erlebt, da man sich vor der inneren Leere fürchtet -> das Arbeiten hält diese Gefühle fern |
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Die eigenen Gedanken werden als unangenehm erlebt, sie drehen ständig im Kreis, wiederholen sich ... Nachts kann man nicht einschlafen, wacht auf und kann wegen den Gedanken nicht wieder einschlafen etc. |
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Zunehmende Unzufriedenheit, Frustration, Erschöpfung, gereiztes, aggressives, ungeduldiges und ungerechtes Verhalten gegenüber Mitmenschen, MitarbeiterInnen etc. |
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Verlust von Mitgefühl, Gefühle der Gleichgültigkeit |
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Fehlendes Urteilsvermögen: das Selbstbild schwankt vom äusserst fähigen bis zum absolut unfähigen Menschen. |
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Zunehmende Entfremdung von Beziehung, Familie, Freunden |
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Unregelmässige Lebensweise: zuwenig Schlaf, ungesunde Ernährung, zu schnelles essen, Mahlzeiten werden ganz ausgelassen, keine Pausen etc. |
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Andauernd werden Pläne gemacht, ein ständiger Arbeitsvorrat wird gesichert oder man entwickelt Angst vor der Arbeit und hat Mühe, mit der Arbeit anzufangen und schiebt sie auf |
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Fehler werden nicht erwähnt oder kaum eingeräumt |
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Verschiedene Formen der Verleugnung:
– Illusion der Kontrolle
– das Ansprechen auf die Krankheit wird vermieden
– die Krankheit wird geleugnet
– scherzhafte Bezeichnungen über Workaholics etc.
– die Krankheit wird zugegeben
aber als nicht gefährlich betrachtet |
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Körperliche und psychische Beschwerden verstärken sich zunehmend
z.B. Erschöpfungszustände, Herzprobleme, Bluthochdruck, Depressionen, verlangsamte Wahrnehmung, Ohnmachtsgefühle, Immunschwächen etc. Schmerzen in Armen, Beinen, Knien, Füssen etc. ohne erkennbare Ursachen (psycho-somatische Beschwerden, besonders häufig bei Frauen),
Herz-/Kreislaufprobleme (besonders häufig bei Männern)
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Evtl. erste ärztliche Untersuchungen
wobei meist aber Arbeitssucht als Ursache nicht erkannt wird und nur die Symptome (meist mit Medikamenten) oberflächlich behandelt werden |
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Weitere (sekundäre) Süchte können exzessiv werden: es wird noch viel mehr als sonst geraucht, getrunken, Medikamentenmissbrauch etc. |
Endstadium
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Sozialer Rückzug, weil alles zu viel ist.
Menschen werden gemieden, jede Anforderung wird zuviel (man mag keine Telefonate mehr annehmen, jede Besorgung bereitet grosse Anstrengung, man mag die Türe nicht mehr öffnen etc. – am liebsten möchte man nur noch schlafen, kann sich nicht mehr um sich kümmern) – ist innerlich wie erstarrt |
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Fehlender Lebensmut |
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stark verminderte Leistungsfähigkeit |
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evtl. wird schon seit längerer Zeit viel weniger oder kaum noch gearbeitet, evtl. sogar unbemerkt vom Arbeitsumfeld (Vorgesetzten, Mitarbeitern etc.) |
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das bereits schwierige Verhältnis zu anderen Mitarbeitern, Vorgesetzten etc. kann vollends «vergiftet» erscheinen |
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Blackouts |
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Flucht/Reise-Wünsche: Man will alles stehen und liegen lassen und «abhauen» |
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Suizidgedanken / Nicht-mehr-Leben-wollen |
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Schwere Erkrankung
z.B. Erschöpfung, Hörsturz, Crash, Herzinfarkt, Depression, Nervenzusammenbruch, Burn-out, Magengeschwüre, Schlaganfall u.ä.) … |
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… auch möglich mit Todesfolge, z.B. Suizid |
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ganz oder teilweise Arbeitsunfähigkeit |
zum Genesungsverlauf
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«Ich konnte keine Arbeit delegieren,
weil meinem Perfektionismus niemand gerecht werden konnte.»
Der Seeleninfarkt
«Psychisch» und «seelisch» sind ethymologisch
dasselbe. Eine psychische Erkrankung ist eine seelische Erkrankung.
Zum Wort «Depression»
Fast jeder Mensch erleidet in seinem Leben Depressionen.
Medizinisch gesehen ist z.B. auch Liebeskummer eine Depression.
Und das ist nicht nur ganz normal – sondern für unsere gesunde Persönlichkeits-Entwicklung eine ganz wichtige Erfahrung. Wir würden wohl eher einen Erwachsenen für krank halten, der noch nie Liebeskummer hatte!
Wir leben in einer Gesellschaft in der immer alle «gut drauf» sein wollen, aber dies ist nicht die Realität.
Krisen sind ein Bestandteil des Lebens – mit der Chance, aus ihnen gestärkt hervorzugehen. Dank Krisen entwickeln wir uns weiter.
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«Irgendwann wollte ich nicht einmal mehr die Türe nicht öffnen, das Telefon nicht beantworten. Ich dachte, hoffentlich spricht mich keiner an. Ich wollte die Post nicht mehr öffnen, konnte kaum mehr lesen oder schreiben. Alles machte mir nur noch Angst.»
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